Das Thema Vielfaltsperspektiven sollte strukturell über verantwortliche Rollen und klare wiederkehrende Prozess im Redaktionsalltag verankert sein.
- Warum guter Content vielfältig sein muss
- Welche Perspektiven in deutschsprachigen Medien oft zu kurz kommen
- Wie man als Autor*in und Bildredaktion vielfältigere Perspektiven einbeziehen und umsetzen kann
Templates in diesem Lernpfad:
- Rollen-Board
Input
Darum muss guter Content vielfältig sein
„Bei Diversity geht es nicht nur um Chancengerechtigkeit oder gesellschaftliche Repräsentation. Mehr Vielfalt bedeutet: neue Zielgruppen, ein breiteres Publikum, vor allem einen besseren, erfolgreicheren Journalismus. […] Es geht dabei um Glaubwürdigkeit, um Vertrauen und vieles mehr.“
Das schreibt das Bündnis Medienvielfalt.
Einzelne Journalist*innen können nie alle erdenklichen Perspektiven einnehmen und über alles berichten. Journalismus zeigt immer nur Ausschnitte der Realität und Journalist*innen treffen die Auswahl, was und wer gezeigt wird. Auch wenn es immer wieder postuliert wird: Objektivität zu erreichen ist fast unmöglich. Dabei können Journalist*innen sich ihr aber annähern, indem sie sich über die eigene Prägung bewusst werden und diese nicht (unbewusst) zur Norm erheben, sondern nach Perspektiven suchen, die ihrer eigenen nicht entsprechen. Das Ziel sollte es sein ein Thema aus verschiedenen gesellschaftlichen Blickwinkeln so reflektiert und unvoreingenommen wie möglich zu betrachten – im Zweifel ist das auch viel interessanter.
Hier findest du Input, um möglichst vielfältige Perspektiven mitzudenken, mitzuerzählen und abzubilden.
Ein Medium, in dem sich alle ein bisschen verantwortlich für Vielfaltsperspektiven fühlen und immer mal wieder Content zu dem Thema erstellen, wenn es sich gerade anbietet, reicht allerdings nicht aus, um der Realität der vielen marginalisierten Menschen in der Gesellschaft gerecht zu werden. Wenn es weitestgehend dem Zufall überlassen ist, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit bestimmte Perspektiven doch wieder komplett übersehen.
Das Thema Vielfaltsperspektiven sollte also strukturell über verantwortliche Rollen und klare wiederkehrende Prozess im Redaktionsalltag verankert sein. Wie du das konkret umsetzen kannst, lernst du in diesem Lernpfad.
Liste: Diese Perspektiven kommen in deutschsprachigen Medien häufig zu kurz
Unten findest du eine Liste mit Gruppen, deren Perspektiven in vielen deutschsprachigen Medien zu kurz kommen. (Übrigens auch bei Neue Narrative. Wir sind dran.)
Natürlich kannst du nicht alle aufgelisteten Vielfaltsperspektiven gleichermaßen authentisch einbringen. Oftmals reicht es aber schon, sich kurz bewusst zu machen, welche Schwierigkeiten diese Menschen im Speziellen haben könnten und dazu einen Satz zu schreiben, um anzuerkennen, dass nicht alle die gleiche Position in der Gesellschaft einnehmen.
- Mensch mit (familiärer) Migrationsgeschichte
- BIPoC*
- FLINTA*
- Menschen mit Pflegeaufgaben
- Menschen mit Be_Hinderung
- chronisch kranke Menschen
- Menschen, die aufgrund ihres Alters oder ihres Aussehens strukturell schlechter gestellt sind
- Nichtakademiker*innen und Nichtakademiker*innenkinder
- neurodivergente Menschen
- Menschen mit ostdeutscher und DDR-Prägung
Diese Liste ist nicht erschöpfend und ständig in Bewegung. Ergänze sie gerne um Perspektiven, die dir noch fehlen.
Die 50:50 Methode von BBC
In den vergangenen Jahren hat die 50:50-Methode von BBC viel Aufmerksamkeit bekommen. Zu recht. Auch wir haben uns für unsere Vielfaltsmaßnahmen im Content-Bereich von der Initiative inspirieren lassen.
Voller Credit für die Initiative geht ans BBC. Hier erfährst du mehr über das Projekt.
Die Initiative zielt mit ihrer Methodik darauf ab, unsere Welt in den Medien anders widerzuspiegeln, ohne in komplizierte Debatten zu verfallen. 50:50 ist ein freiwilliges Selbstkontrollsystem, das sich, so Ros Atkins, der das Projekt initiiert hat, gut in bestehende Prozesse integrieren lässt. Es basiert auf drei Grundprinzipien:
Die Teams behalten ihre eigenen Inhalte im Blick und nutzen Daten, um Ziele festzulegen und Fortschritte zu verfolgen. Dadurch soll 50:50 zu einem festen Bestandteil redaktioneller Gespräche werden.
Nur messen, was sich kontrollieren lässt
Nur die Akteure in die Zählung aufnehmen, die im Wirkkreis der Redaktion liegen (z.B. in einer Nachrichtensendungen nicht den Bundeskanzler, der eine Rede hält, in die Zählung aufnehmen).
Redaktionelle Exzellenz hat immer Priorität und ist in den allermeisten Fällen mit Diversität vereinbar. Das 50:50-Projekt zielt darauf ab, Content-Ersteller*innen dabei zu unterstützen, neue Stimmen zu entdecken, um das eigene Publikum besser widerzuspiegeln.
Mittlerweile hat sich die Methodik weit über die BBC hinaus verbreitet: Über 100 Institutionen aus 26 Ländern sind Teil des globalen 50:50-Netzwerkes. Darunter sind viele öffentlich-rechtliche Sendeanstalten, aber auch private Medien, Journalist*innenschulen, Universitäten und Unternehmen.
Umsetzung
Rolle Vielfaltsperspektiven schaffen
Wie stellen wir sicher, dass wir in all unseren Inhalten möglichst viele verschiedene Perspektiven mitdenken und keine vergessen?
Wenn bestimmte Tätigkeiten kontinuierlich geschehen müssen und es keine*n Zuständige*n gibt, solltet ihr eine Rolle dafür schaffen. Die Rolle „Vielfaltsperspektiven“ sollte idealerweise nach Interesse vergeben werden, also an eine Person, die sich gerne damit beschäftigt, eine möglichst vielfältige Gesellschaft und entsprechende Medien zu kreiieren. Die Person, die diese Rolle einnimmt, muss (und kann) sich nicht mit allen Perspektiven gleich gut auskennen. Wichtig ist aber eine aufgeschlossene und lernbereite Haltung.
Unten findest du eine Vorlage für die Rolle „Vielfaltsperspektiven“ mitsamt möglichen Verantwortlichkeiten, die in die Rolle fallen:
Zweck: Unser Content ist möglichst diskriminierungsfrei und beinhaltet vielfältige Perspektiven von Menschen mit unterschiedlichen Privilegien.
Verantwortlichkeiten:
- Unterstützt die Autor*innenrollen in der Schreibphase durch Hinweise auf Perspektivenreichtum
- Zählt regelmäßig die Vielfaltsperspektiven, denen wir in unseren Inhalten Raum gegeben haben
- Sucht auf Basis dieses Ergebnisses nach Möglichkeiten, zukünftig die Perspektivvielfalt zu erhöhen
- Pflegt und ergänzt eine Liste mit vielfältigen Expert*innen zum Thema Arbeit/New Work.
- Organisiert Weiterbildungen im Hinblick auf Vielfaltsperspektiven
Vielfalts-Check: Fangt an zu zählen!
Unten findest du eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, die euch dabei hilft, eure Inhalte auf Perspektivenvielfalt zu überprüfen.
Ihr erhebt, wie vielfältig die Perspektiven sind, die in euren Inhalten stattfinden.
Hinweis: Diese Box wirst du nur verstehen, wenn du zuvor oben ins Tool geklickt hast.
Die Datenerhebung über marginalisierte Positionen ist ein sensibles Thema und sollte auch so behandelt werden. Es ist wichtiger diese Sensibilität ernst zu nehmen, als perfekte Statistiken zu erhalten. Insgesamt dient die Zählung ja v.a. einer Selbsteinschätzung und dem Blick darauf, ob Inhalte und Personen langfristig diverser werden. Es gibt keine Auskunftspflicht und die Rolle Vielfaltsperspektiven sollte sich davor scheuen, Druck auszuüben.
Bei einem internen Team kannst du eine anonyme Umfrage mit Selbsteinordnung durchführen, um zu erfahren, welchen marginalisierten Positionen sich Menschen im Team zuordnen.
Externe Mitarbeiter*innen kannst du ebenfalls darum bitten, eine anonyme Umfrage auszufüllen, mit dem Hinweis, dass die Daten nicht gespeichert und nicht rückverfolgbar sind. Erfahrungsgemäß kommt auf diese Weise nicht viel Rücklauf. Dir bleibt dann nichts anderes übrig, als die Quotenerfüllungen für Externe zu schätzen oder offenzulassen.
Eine Umfrage ist aus unserer Sicht aber immer sinnvoll, auch weil das eine Signalwirkung hat: „Wir wollen etwas verändern!“
Checkfragen für Autor*innen und Bildredaktion
Zählen ist wichtig. Es danach besser zu machen, aber auch. Wir geben unseren Autor*innen eine Checkliste an die Hand, die dabei helfen soll, die eigenen Inhalte schon im Prozess auf ihre Vielfalt zu reflektieren:
Viel mehr zum Thema kannst du beim Projekt mediendiversitaet.de von den Neuen deutschen Medienmacher*innen lernen. Auch wir haben große Teile unseres Wissens daher.